Fernwanderungs-Ausrüstungs-Geflüster

Was ich warum auf meiner 3-wöchigen Fernwanderung in Norwegen dabeihatte

@Aus_der_UBahn
10 min readSep 14, 2020

Eine detaillierte Packliste zu meiner Fjell-Wanderung #Lyse2Sognefjord im August 2020 habe ich drüben bei Lighterpack online, das ist ein hübscher kleiner Dienst. Aber bei so einer reinen Auflistung bleiben viele Fragen offen: Hat es sich gelohnt, das Teil mitzuschleppen? Braucht es das wirklich? Geht es nicht noch leichter? Und sind alle, die’s anders machen, doof?

Hier meine ultimativen Packlistenweisheiten!

Rucksack: Nicht zu groß

Wer nicht gedankenlos den ganz großen Rucksack nimmt, kann viel Gewicht sparen. Ich habe gemerkt, dass bei meiner Ausrüstung 50+10l völlig auch für mehrere Wochen ausreichen, und habe den 80l-Rucksack von Bergans durch einen Deuter Aircontact Lite ersetzt — 750g weniger auf dem Buckel! Und vom Trageverhalten, Volumen und den Verstaumöglichkeiten her ist der auch super. Das meiste Zeug passt in die 50l, und für Essensvorräte für bis zu 5 Tage habe ich die +10l genutzt. Nur die Isomatte (siehe unten) hängt außen dran.

Zelt: Leicht, aber wetterfest

Ich liebe mein MSR Hubba NX für eine Person. Ist zwar etwas schmal, vermittelt mir aber das Gefühl, auch im ekligsten Wetter noch ein sicheres und gemütliches Zuhause zu haben. Und vor allem natürlich wiegt es nur 1,2kg bei einem Preis von rund 350 Euro. Ist zwar nicht ganz schnell aufzubauen, aber die Zeit genieße ich sowieso immer. Inzwischen gibt es auch andere Ultraleichtzelte, die man nicht nur für ein Festival im Sommer nutzen kann, sondern die auch bei Regen und Wind dicht bleiben. Unterwegs traf ich jemanden mit einem recht geräumigen 1-Personen-Zelt von Nordisk, das sah auch gut aus, kostet halt nur das Doppelte.

Isomatte: Hart, aber robust

Die ganzen modernen aufblasbaren Isomatten von Sea-to-Summit oder Thermarest sind schon verlockend wegen des sehr geringen Gewichts und der recht hohen Bequemlichkeit. Allerdings liegen sie bei einem R-Wert, der für drei Jahreszeiten ausreicht, dann doch meist bei 600, 700 Gramm oder mehr. Und sie sind sauteuer. Und vor allem: Ich traue dem Material nicht. Es fühlt sich so dünn und verletzlich an! Also hatte ich wie seit Jahren meine alte “Ridgerest”-Iso-Schaum-Matte mit 400g Gewicht dabei, die ich auch zur Mittagspause rausziehe und sorglos auf die rauen Felsen lege. Man liegt recht hart, doch ich bin’s gewöhnt und mein Rücken kommt damit klar. Die Matte hänge ich hochkant außen an den Rucksack dran und fertig.

Schlafsack: Leichte Daune, bitte aufpassen

Der Schlafsack war ein Online-Sonderangebots-Glücksgriff: Der Mountain Hardware Phantom Spark wiegt nur 630g, wärmt aber bis ungefähr 0° ausreichend! Das war auf dieser Wanderung in einer Nacht auf einer Höhe von 1.200m bei schlechtem Wetter grenzwertig, hat aber ansonsten völlig ausgereicht. Im Notfall z.B. bei Schnee hätte ich auch in einer Hütte unterschlüpfen können. Das Packvolumen ist echt winzig! Man muss halt nur höllisch aufpassen, dass die Daunen nicht feucht werden.

Wanderschuhe und Stecken: Also bitte, natürlich!

Vielleicht probiere ich auch irgendwann mal diese “Trailrunner” — aber sicher nicht in alpinem Gelände auf einer wochenlangen Tour. Ich trage feste Treckingstiefel wegen der Stabilität und Unterstützung für den Fuß. Und mit den Stecken kann man die Gelenke entlasten, Stolperer auffangen und sicher über Schneefelder und durch Flüsse kommen. Woran ich das nächste Mal aber denken muss: Etwas Lederfett! Wenn die Schuhe tagelang feucht bleiben und dann trocknen, brauchen sie dringend Pflege. Ich habe jetzt leider einen Riss im Leder. :-(

Kochen: Das Minimal-Set reicht

Früher war ich Trangia-Fan, aber auf weiten Touren nehme ich jetzt nur 1–2 Primus-Gaskartuschen, einen minimal leichten aufschraubbaren Brenner und ein Set aus zwei Töpfen mit (Soto Amicus), in denen ich alles verstauen kann. Bei Sturm koche ich im Zelteingang oder improvisiere einen Windschutz aus Gepäck. Die Töpfe kann man übrigens hervorragend mit altem Gras, totem Moos oder etwas Sand in fließendem Wasser abwaschen. Das Set ohne Brennstoff wiegt 290g — statt wie der Trangia damals ein ganzes Kilo.

Essen: Meine ganz persönlichen Basics

Für jede Tour bereite ich mir zuhause kurzkochende Nudeln, getrocknete Steinpilze und Tomaten, Brühe und Parmesan vor und habe so für die ersten Tage ein leckeres Abendessen dabei. Zum Frühstück gibt’s Porridge und Kaffee. Für den Imbiss kann man wunderbar ein richtiges Vollkornbrot mitnehmen, das sättigt und hat diesmal eineinhalb Wochen gehalten, dazu Käse, Salami und viele Kekse, Riegel (Mr. Tom!), Studentenfutter und so weiter. Hauptsache viele Kalorien! Diesmal hatte ich recht wenig Vorräte eingepackt, da ich wusste, dass man sich aus den Hütten des DNT Lebensmittel holen kann. Der Rucksack bleibt also leicht, aber man muss sich schon etwas auf die norwegische Küche umstellen (Rentierfleischbällchen! Fleisch-Erbsen-Brei! Fischkonserven! Knäckebrot!).

Klamotten: Für alle Fälle gerüstet

Die Anziehsachen machen eigentlich nur einen kleinen Teil des Gepäcks aus, sind aber das Wichtigste: Wenn es kalt wird oder der Regen kommt, musst du gewappnet sein! Ich spare also bei der Grundausrüstung (1 Set an, eins zum Wechseln und Waschen) und habe aber Flies-Pullover und Softshell-Jacke dabei, Regenjacke (Haglöfs L.I.M., nur 265g), Wollmütze, lange Wollunterwäsche und Handschuhe. Wer eine Regenjacke trägt, braucht auch eine Regenhose, sonst saugt sich die Hose voll. Nächstes Mal achte ich darauf, dass die unten Reißverschlüsse hat, so dass man sie über die Stiefel drüberziehen kann. Wenn man die erst ausziehen muss, macht man’s eher gar nicht …

Dieses Mal hatte ich zum ersten Mal ein paar zusätzliche Schuhe dabei, damit ich abends am Zelt noch etwas herumlaufen kann, ohne wieder in die Stiefel schlüpfen zu müssen. Noch langem Suchen hatte ich mich für die Merrell Vapor Glove 4 entschieden, leichte Barfußschuhe mit nur 370g Gewicht das Paar. Das war super, ich habe sie gerne und viel getragen, da die hauchdünne Sohle dem Fuß viel mehr Freiheit lässt, das war sehr entspannend. Auch mal für einen kleineren Spaziergang am Pausentag. Allerdings: Eigentlich wollte ich die auch für Flussquerungen einsetzen. Das hat auch einmal super funktioniert, danach waren sie aber tagelang nass. Also bin ich später mit den Stiefeln durchmarschiert, hatte aber Gamaschen über den Schaft gezogen, so dass das Wasser zumindest nicht oben reinlaufen konnte. Das hat schon viel geholfen.

Was auf den Bildern eher doof aussieht (finde ich), ist mein Sonnenhut. Den würde ich aber immer wieder mitnehmen, da er vor Sonne und Wind schützt, die Augen abschirmt und sogar verhindert, dass Mücken an die Kopfhaut kommen.

Elektronik-Krempel: So wenig wie möglich

Für Norwegen habe ich mich gegen das Tracking der gesamten Tour mit der TomTom-Uhr entschieden — schließlich hatte ich die Route schon auf Ut.no in der Karte vermessen und als GPX-Track auf Outdooractive angelegt. Den Track hatte ich auch in meine Trecking-App Maps-3D exportiert und die Karten heruntergeladen, so dass ich auch im Funkloch immer auf dem Smartphone prüfen konnte, wo ich stehe und wo der Weg verläuft. Das war allerdings nur die erste Sicherung neben der Papierkarte (1:100.000, aber auf der 50.000er-Grundlage), ohne die ich nie losgehen würde.

Die zweite Sicherung war das Satelliten-Kommunikationsgerät Garmin GPSMAP 66i, das ich als Alleinwanderer vor allem eingepackt hatte, damit ich in einer möglichen Notfallsituation auch im Funkloch über den SOS-Button per Satellit hätte Hilfe holen können. Nebeneffekt: Eine digitale Karte hat das Gerät auch, allerdings unhandlich zu bedienen. Im Expeditionsmodus trackt das Gerät auch meine Route, allerdings nur sehr selten, so dass die Batterie über eine Woche lang hält. Habe ich genutzt, war aber sehr ungenau und unnötig. Hilfreich war aber die Funktion, per Satellit an vordefinierte Adressen E-Mails schreiben zu können. In Ryfylkeiheiane war ich 8,5 Tage lang ohne Mobilfunknetz, dennoch konnte ich die Buchung meines Zimmers in Haukeliseter um zwei Tage nach hinten schieben, als ich merkte, dass ich mich verplant hatte. Und ich konnte Statusmeldungen nach Hause schicken. Das Gerät kann man sich für 80 Euro einen Monat lang leihen, sonst müsste man es für sehr viel Geld plus Abogebühren kaufen — ein toller Service von Protegear. Eigentlich wollte ich den Inreach Mini, da aber Garmin zuvor gehackt worden war, war nur das größere Gerät verfügbar.

Diesmal wollte ich zum ersten Mal ausprobieren, einen Film über meine Wanderung zu drehen. Alles, was ich dafür brauchte, war ein Gorillapod (70g), ein externes Mikro (Shure MV 88, 50g) und das iPhone 8, das ich sowieso dabei hatte. Ich habe über 600 kurze Clips in HD gedreht, die ich danach in nächtelanger Kleinarbeit zusammengeschnitten habe. Das Filmen ging unterwegs ohne viel Aufwand, ich musste halt hin- und wieder nochmal zurücklaufen, das Handy holen, wenn ich mich selbst beim Weglaufen gefilmt hatte. Allerdings wollte ich nicht allzuviel Zeit reinstecken, sonst hätte ich mir mit mehr Mühe besondere Einstellungen überlegt, aber dafür war mir meine Zeit zu schade und der Film nicht wichtig genug.

Solarpanel: Selten nützlich, hier schon

Die menschenleeren Fjelle in Skandinavien sind wohl die einzigen Gebiete in Europa, wo ein Solarpanel sinnvoll ist: Wo kommt man denn sonst über eine Woche lang an keiner Steckdose vorbei? In Ryfylke waren es 9 Tage, so lange hätte das iPhone auch mit Powerbank nicht durchgehalten, obwohl ich es nur zum Fotografieren und Filmen und selten zum Überprüfen des Wegverlaufes genutzt habe.

Das Anker Solarpanel mit 21/15W ist wohl auch das erste Solar-Ladegerät, das wirklich praxistauglich funktioniert — anders als die früher angebotenen kleinen, schweren Teile oder die Alibi-Ladeflächen von Armbanduhren oder Solar-Smartwatches. Die drei ausklappbaren Elemente haben bei entsprechendem Wetter richtig Power. Nach etwa 3 Tagen hatte ich mein iPhone zweimal mit der Powerbank geladen, die dann auf 50% runter war. Wenn ich dann über Mittag bei Sonnenschein das Panel auf dem Rucksack anbrachte, war die Powerbank schon nach 2 oder 3 Stunden wieder auf 100%. Ich hatte Glück, dass ich immer nach Norden lief und das Wetter lange Zeit wolkenlos war. Mit seinen knapp 450g war das Panel gerade noch gut mitzunehmen, mehr als ein halbes Kilo hätte ich nicht tragen wollen. Dafür hatte es die perfekte Form, um zusätzlich als Windschutz für den Kocher Verwendung zu finden. Besonders vorsichtig musste ich damit nicht sein, das Ding ist quasi unkaputtbar.

Fernglas: Überflüssiger Luxus, aber dennoch

Mein Zeiss-Conquest-HD-Fernglas habe ich ja immer dabei, auch wenn es 675g wiegt. Ich bin ein Augenmensch und hole mir sehr gerne die Landschaft ganz nah vors Auge. Und manchmal findet man damit auch die nächste Wegmarkierung, wenn sie fürs bloße Auge zu unscheinbar ist. Nur: Dieses Mal habe ich wirklich daran gezweifelt. In den Alpen gibt es immer irgendwas zu entdecken, sei’s eine ferne Gletscherspalte, ein Trupp Wanderer oder das Dorf im Tal. Dort oben in Norwegen bist du den ganzen Tag durch Felsen gelaufen, Felsberge bis zum Horizont, und abends hättest du dir erneut die Felsen anschauen können, durch die du schon den ganzen Tag gewandert bist. Mehr gab’s meistens nicht zu sehen. Fantastisch, fast schon surreal, aber irgendwie zu eintönig fürs Fernglas. Egal!

Kleinkram: Leicht, aber (meistens) nützlich

Irgendwann unterwegs hatte ich das angenehme Gefühl, dass ich genau die richtige Menge von nützlichem Kleinkram dabei hatte. Eigentlich war ich für alle Situationen perfekt gewappnet — aber ohne mich daran zu Tode zu schleppen. Vieles von dem Zeug wiegt kaum was, erweist sich aber irgendwann als sehr nützlich:

  • Reserve-Heringe und -Schnüre fürs Zelt: Auch bei Sturm gut aufgestellt.
  • Pflaster, Mückenschutz, Sonnencreme, Wundsalbe: Brauchte ich alles.
  • Stirnlampe: Hab ich nicht gebraucht, wiegt aber auch nur 50g und gibt einem Sicherheit.
  • Gamaschen, Barfußschuhe: Variabel ausgrüstet für verschiedene Typen von Flußdurchquerungen — mal eine Furt durchwaten, mal über überspülte Felsbrocken hüpfen.
  • In-Ear-Kopfhörer Shure SE 112: Wie schön, zwischendurch mal etwas Musik hören zu können — bei nur 18g!
  • PET-Flasche und 10l-Wasserbeutel: So konnte ich auch mal da zelten, wo nicht unmittelbar ein Bach entlangfließt.
  • Sonnenbrille: Trag ich ungern, auf den Schneefeldern aber sehr augenschonend.
  • Mückennetz für den Kopf: Na gut, da war die Anti-Mücken-Lotion praktischer, da kommt einfach keine Mücke in deine Nähe. Wiegt aber auch fast nichts.
  • Sonnenhut: Sehr leicht und unglaublich angenehm zu tragen. Hat mich wirklich an mehreren Tagen in größerer Höhe vor einem Sonnenstich bewahrt und auch meine (großen) Ohren gut beschirmt.
  • Kosmetik: Von allem nur die Probierpackungen aus der Drogerie, z.B. bei Zahnpasta. Das reicht von der Menge her vollkommen. Und so hatte ich sogar ein Deo-Spray dabei! Völlig überflüssig, hat mir aber doch gelegentlich ein Feiertagsgefühl vermittelt.
  • Sehr leichte Unterziehhandschuhe: Wärmen bei Regen. Dieses Paar hatte ich im Angebot für unter 10 Euro gekauft, sie haben sich in Kombination mit den Wanderstecken blitzschnell aufgelöst — Nähte offen und durchgerieben. Nächstes Mal kauf ich was Vernünftiges.
  • Ultraleichte und wasserdichte Packbeutel in verschiedenen Größen: Hilfreich beim Packen, beim Herumwühlen im Rucksack und auch bei Regen, vor allem, wenn der eigentliche Regenüberzug für den Rucksack inzwischen alles Wasser einfach durchlässt. :-(
  • Nadel und Faden: Das i-Tüpfelchen auf einer verantwortungsvollen Vorbereitung. Damit hätte ich alles flicken können. War aber nicht nötig.

Zusammen kam mein Rucksack auf ein Basisgewicht ohne Essen von 12-13kg, konkret unterwegs waren es dann mit Essen und der Flasche mit einem Liter Wasser (oder angemischtem Zitronentee) etwa 16–17kg. Für manche ist das richtig viel, aber ich fand das gut. Das war angenehm ohne Qual zu tragen, und ich hatte wirklich alles dabei, was ich auf so einer langen Tour brauchen würde. Ich konnte es mir ohne Entbehrungen richtig gut gehen lassen. Am Abend habe ich bewusst meinen Körper gepflegt, auf warme Kleidung, gutes Essen, ein gemütliches Lager geachtet, so dass ich trotz all der Anstrengung des Gehens immer fit geblieben bin.

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Written by @Aus_der_UBahn

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