Lesetipps für Verschwörungstheoretiker
Wissen macht Spaß — und ermöglicht Teilhabe
Bei den so genannten Hygienedemos werden sehr viele krude Verschwörungstheorien laut — Zeug, das eigentlich kein denkender Mensch für glaubwürdig halten kann. Viele Teilnehmer fühlen sich von den “Mainstream-Medien” betrogen und vertrauen auf antisemitische, rechtsradikale Gestalten, die auf Youtube angeblich große Geheimnisse aufdecken. Irgendwas mit Bill Gates, implantierten Mikrochips, Weltverschwörung, Brunnenvergiftung — ach ne, letzteres war ein paar Jahrhunderte früher.
Schade, dass das in eine so verkehrte Richtung läuft, denn Misstrauen gegenüber den Mächtigen ist ja durchaus etwas Gutes. Aber warum glauben die Menschen einen solchen Unsinn — wo es doch zugleich so viele spannende, fast unglaubliche Stories gibt, die doch real und glaubwürdig sind? Fehlt diesen Menschen die Erfahrung, zwischen Fake und Fakten zu unterscheiden? Irren sie, weil sie es nicht besser wissen, weil sie verführt werden oder mit voller Absicht, weil sie Lügen als Mittel nutzen, ihre Ziele durchzusetzen?
Zugegeben, es klappt nicht immer, aber meistens: Wer weiß, wo er suchen muss, und einschätzen kann, wem er vertrauen kann; wer die Geschichte kennt und die politische Szene, der kann sich in Zeiten des Internets recht einfach ein ziemlich verlässliches Bild davon machen, was stimmt und was nicht. Wenn er es denn wirklich will.
Und um darauf Lust zu machen, kommt hier eine völlig subjektive Liste mit tollem Wissen, das Schriftsteller, kluge Wissenschaftler, Wissens-Communities und engagiert recherchierende Journalisten zusammengetragen haben. Total willkürlich — aber bestimmt kein Fake.
Klimawandel: Das Eis der Antarktis schmilzt, die Kaiserpinguine könnten vor dem Aussterben stehen.
Eine “Alternative”? Wie sich die Rechtspopulistischen Parteien im Europaparlament selbst bedient haben und Schampus und teure Weihnachtsgeschenke als Spesen abrechnen wollten.
Wird wirklich alles immer schlimmer? Wer das glaubt, sollte mal den “Abentheuerlichen Simplicissimus Teutsch” von Grimmelshausen lesen. Ein Entwicklungsroman aus dem Dreißigjährigen Krieg, in dem der Held von einem Gemetzel in die nächste Folteraktion taumelt. Bei all der plastischen Gewalt lernt man automatisch schätzen, wie gut wir es heute so haben. Gibt’s komplett und gratis im altertümlichen Original online, aber auch in einer angeblich sehr guten Neuausgabe in moderner Sprache.
Zur “Früher war alles besser”-These gibt’s übrigens ein ganzes Buch mit toll aufbereiteten Statistiken. Ich verrate kein Geheimnis: Nein, früher war sehr Vieles sehr viel schlechter. Nie ging es der Menschheit so gut wie heute.
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer hat die Maut durchgedrückt und dabei vermutlich gegen Vergaberecht verstoßen und dem Steuerzahler Millionenkosten durch Vertragsstrafen aufgebürdet. Dieser Bericht von der Vernehmung einer Mitarbeiterin zeigt,wie es hinter den Kulissen zugegangen sein muss.
Zum Thema der lügenden Politiker: Die Washington Post hat in einer unglaublichen Fleißarbeit nachgewiesen, dass Donald Trump in 1.170 Tagen 18.000 mal gelogen hat. All diese Lügen kann man in einer Online-Datenbank mit Gegendarstellung und Beleg nachschlagen. Man muss sich nur damit befassen wollen.
Vermeintlich systemrelevante, aber klimaschädliche Unternehmen müssen nicht auf ewig so weiterwirtschaften wie gewohnt. Ein Mobilitätsexperte fordert von der Schweizer Fluggesellschaft Swiss, dass sie als allgemeiner Mobilitätsdienstleister in Zukunft auch Nachtzüge betreiben solle.
Ein geheimes Netzwerk aus gewaltbereiten, rechtsradikalen Soldaten und Spezialkräften, die Todeslisten führen: Seit langem recherchiert die taz zu “Hannibals Schattennetzwerk”. Alle paar Tage kommen neue, erstaunliche Fakten ans Licht.
Wäre eine neue Abwrackprämie nicht eine gute Idee, um die Automobilhersteller zu unterstützen? Ausgerechnet die Wirtschaftswoche zieht eine verheerende Bilanz der letzten Abwrackprämie und rät dringend von einer Wiederholung ab. Sie funktioniert einfach nicht.
Die BILD-Zeitung brachte eine Kolumne über Schweden als Vorbild in der Corona-Krise. Haben die’s besser gemacht? Das Thema ist leider so komplex, dass man genauer hinsehen muss. Jörn Kruse hat das in “Übermedien” getan.
Ganz was Anderes: Am Sognefjord in Norwegen gibt es eine kleine Gemeinde (ein “hamlet”), die so abgelegen liegt, dass sie schon immer nur per Boot zu erreichen war: Frønningen. Interessant, wie die Menschen dort lebten. Nachzulesen im “Volksarchiv” der norwegischen “Cultural History Encyclopedia”.
Ja, wenn Geheimdienste im Spiel sind, kann man eigentlich gar nichts mehr glauben. Dennoch schafft es die Süddeutsche Zeitung, den Schleier über dem Hackerangriff auf den Bundestag 2015 ein kleines Bisschen zu lüften. Die Verantwortung dafür scheint beim russischen Geheimdienst zu liegen.
Beim Wandern in den Alpen stößt man an manchen Stellen auf alte Bunker, Gänge, Stollen. Der Gebirgskrieg von 1915–1918 war eine schreckliche Quälerei und ein übles Gemetzel. Wenn man die Überreste deuten und verstehen kann, dann ist man fast automatisch froh über die offenen Grenzen und die Toleranz innerhalb der EU. Nie wieder Krieg!
Manchmal liest man, dass 15 Kreuzfahrtschiffe mehr Dreck ausstoßen als alle Autos dieser Welt zusammen. Stimmt das eigentlich? Fakten-Check in der Zeit. Ergebnis: Es gab Missverständnisse und Rechenfehler — so kann man das also nicht behaupten. Aber saudreckig sind Kreuzfahrten allemal.
Immer das Beste rausholen, immer schneller, immer toller. Marianne Grönemeyer leitet unsere heutige Leistungsmentalität in “Das Leben als letzte Gelegenheit” überzeugend aus der Angsterfahrung der Pestepidemie im 14. Jahrhundert ab. Dieses Buch hat mich wirklich geprägt und verändert. Mein Leben hat sich entspannt. Gibt’s auch in günstigen Taschenbuchausgaben oder gebraucht. Ist allerdings nicht so ganz leicht wegzulesen.