Man sollte die SUVs der Besucher*innen der Caspar-David-Friedrich-Ausstellung zertrümmern
Mensch und Natur in der Kunst — ja, aber nicht mehr so.
Mal ehrlich: Die hier in Hamburg so mega-gehypte Caspar-David-Friedrich-Ausstellung in der Kunsthalle kann mir gestohlen bleiben.
Ok, in ihrer Entstehungszeit hatten diese Gemälde mit ihrer melancholischen Rückbesinnung auf die Zeiten, als die Natur noch groß und ungezähmt war, vielleicht ihre Berechtigung und einen künstlerischen Wert. Das Bürgertum musste sich noch finden, und Friedrich half ihm bei der Weiterentwicklung seiner Identität. Der Wanderer an den schroffen Klippen, da konnte man sich gruseln oder auch, nachdem die Entfremdung vom Leben in der Natur endgültig eine abgeschlossene Sache war, auch wieder sowas wie eine Liebe zur wilden Natur entwickeln. Gefährlich war die ja zum Glück nur noch auf den Bildern. Eine neue Ästhetik.
Aber heute? Die Kunsthalle hat alles dafür getan, dass an jeder einzelnen Straßenecke Plakate auf die Ausstellung hinweisen, Zeitungen sie auf den Titel hieven, Bücher im Schaufenster liegen. Im Shop gibt’s den Wanderer und sein dröges Nebelmeer auf Kochschürzen, Radiergummis und Puzzleteile draufgedruckt. Friedrich lässt sich ähnlich wie Friedensreich Hundertwasser hervorragend per Franchise vermarkten, der tut nicht weh, die Zeit und das Abendblatt schreiben ihre Kulturseiten voll, der Herr Studienrat a.D. und seine Gattin müssen das unbedingt gesehen haben, kann man ja auch so’n bisschen kritisch sehen, Mensch und Natur, das ist ja immerhin kein ganz einfaches Verhältnis.
Warum mich die Ausstellung aber völlig kalt lässt, ist das Gefühl, dass ich seit vielen Jahren von allen Seiten mit einer “jungen” Landschafts- oder besser “Outdoorfotografie” beworfen werde, die das plumpe Konstruktionsprinzip der Friedrichschen Kunst massenhaft und unreflektiert reproduziert: Auf wie vielen Hunderttausenden Instagram-Bildern steht ein moderner Wanderer statt in Gehrock und Zylinder mit Daunenjacke und Bommelmütze vor einem majestätischen Naturpanorama, für ein imagebildendes Farbprofil meist in Orange und Türkis, ausschließlich aus dem populärpädagogischen Grund, mir zu demonstrieren, wie klein doch der Mensch sei, wenn er sich in die Natur begibt? Jahaa, ich hab’s kapiert! Dabei liegt direkt hinter der Rückseite der Kamera der Wohnmobilparkplatz und die anderen Influencer stehen schon Schlange, weil sie mich an der gleichen Stelle genauso mit dem gleichen Friedrichschen Bildmotiv beinfluencen wollen. Dass die ganze Landschaft mit ihren Wäldern und Almwiesen menschengemacht ist und selbst im Polarmeer das Mikroplastik herumtreibt, ignorieren sie.
Vielleicht geht es bei der ganzen Renaissance der Friedrichschen Ästhetik heute darum, sich überhaupt von den letzten Stücken Natur zu verabschieden, auf denen kein Kühlturm aus dem Nebelmeer ragt und kein Fischtrawler durch das Treibeis stampft. Ja, natürlich habe ich auch Freude an vermeintlich “ungestörter Natur”, mein Instagram-Account ist voll davon, aber das sind meine kleinen, ganz privaten Momente des Aufatmens und der Stille — das kann doch keine Kunst mehr sein! Der Hype um die Caspar-David-Friedrich-Ausstellung wirkt auf mich, als würden die Spießbürger sich hier nochmal beruhigen: Ach, diese Natur, die ist ja schon ganz schön, tolle Bilder, siehste, so kann ich die Natur auch genießen. Echte Kunst würde diesen Menschen ihre SUVs, mit denen sie in die Kunsthallentiefgarage gefahren sind, wenn es da eine gibt, mit einem Scheiß-Vorschlaghammer zertrümmern.